Sapere aude! Oder brauchen gewisse Politiker einen Vormund?

Die Forderung einer politischen Gruppierung (Walser) die OECD einzuladen um die Vorarlberger Bildungspolitik zu beurteilen, führt schnell zu einer brisanten Frage:
Brauchen sie einen Vormund? – Wie kommt man zu dieser Überlegung?

Es war Immanuel Kant, der einstens den Appell formulierte “Wage dich deines Verstandes zu bedienen.” Denn, so Kant, “Aufklärung ist der Ausgang des Menschen aus seiner selbst verschuldeten Unmündigkeit.” Und weiter (sinngemäß): Faulheit und Feigheit sind die Ursachen, warum ein großer Teil der Menschen (…) dennoch gerne unmündig bleiben; und warum es Anderen so leicht gemacht wird, sich zu deren Vormündern aufzuwerfen.

“Habe ich ein Buch, das für mich Verstand hat, einen Seelsorger, der für mich Gewissen hat, einen Arzt, der für mich die Diät beurteilt, usw. so brauche ich mich nicht selbst zu bemühen. Ich habe nicht nötig zu denken, wenn ich nur bezahlen kann; andere werden das verdrießliche Geschäft schon für mich übernehmen” (Kant: Beantwortung der Frage, was ist Aufklärung?) In einer immer komplexer werdenden Welt bedarf es der Aneignung von Wissen und Kenntnissen, um zu einem gut begründeten Urteil zu kommen.

Es scheint aber, dass gewisse Politiker mit dieser Herausforderung überfordert sind. Weshalb sie ihre “Welt” in der Komplexität zu reduzieren versuchen, “einfältig” bzw. “eindimensional” zu konstruieren sich anschicken und so hinter die bereits 200 Jahre vorher angesetzte Aufklärung zurückfallen und sich damit selbst entmündigen.

Ein Resultat dieses Phänomens ist die Forderung nach der Gesamtschule. Nur so ist es zu erklären, dass ein Weltbild, reduziert auf ein paar ideologisch bedingte Faktoren, die Grundlage dieser Bildungspolitik ist. In einer differenzierten Welt, die voll (geistiger, aber auch praktischer) Abenteuer ist, in der man jeden Tag Neues entdecken kann, in einer Gesellschaft, welche die Freiheit und Individualität zum Programm macht, in einer solchen Welt sich zu behaupten, erfordert geistige Beweglichkeit und nicht die Gummiwände einer simplen Ideologie. Es ist beschämend, wenn eine politische Kraft nicht mehr imstande ist, aus eigener Kraft, jene Argumente zu vermitteln, welche zur Umsetzung politischer Ziele notwendig sind! Der Ruf dieser Politiker nach einem bildungspolitischen  Vormundschaftsgericht (OECD) nimmt sie aus dem Rennen zur Gestaltung eines zukunftsfähigen Schul- bzw. Bildungssystems.

Das sollte man der Bevölkerung mitteilen.

Hofrat Dr. phil. Hubert Regner, geb. 1943, lebt in Hallein, hat bei Prof. Norbert Leser promoviert und war u.a. von 1984-1989 Direktor des Landesbildungszentrums Schloss Hofen in Lochau und von 1989 – 2004 Vorstand der Abteilung Wissenschaft und Weiterbildung der Vorarlberger Landesregierung.