Durchdachtes Prognoseverfahren könnte großer schulpolitischer Wurf werden

Noten allein als Aufnahmekriterium für weiterführende Schulen sind ungerecht und zunehmend immer weniger aussagekräftig. Deshalb sollte dieses Kriterium so rasch wie möglich zumindest um ein längerfristiges Prognoseverfahren am Ende der Volksschule ergänzt werden.

Künftig sollen nicht mehr allein die Noten der letzten Klasse der Volksschule den weiteren Schulweg bestimmen, sondern ergänzend auch in einem Prognoseverfahren die tatsächlichen Interessen, Talente und Fertigkeiten der Kinder im Mittelpunkt stehen. Mit diesem aktuellen Vorschlag bringen die Bundesländer Tirol und Vorarlberg einen praktikablen Lösungsansatz für ein Problem ein, das in den letzten Jahren immer stärker an Brisanz zugenommen hat.

Denn die derzeitige Praxis fordert einen zu hohen Preis: Der undifferenzierte Ansturm auf die Gymnasien vor allem in städtischen Regionen hilft weder dem Gymnasium selbst noch den Neuen Mittelschulen (NMS). Im Gegenteil: Er verursacht menschliches Leid durch Überforderung in der falsch gewählten Schulart. Der jährlich steigende Druck auf Lehrerinnen und Lehrer der vierten Klassen in den Volksschulen führt zu einer Inflation an Volksschulzeugnissen mit ausschließlich „Sehr gut“ und in weiterer Folge dazu, dass
heuer in Dornbirn 35 und in Innsbruck sogar 50 Schülerinnen und Schüler mit solchen Zeugnissen keinen Platz an einem Gymnasium bekommen haben. Zu viele Kinder schlagen nicht jenen Schulweg ein, der für sie der beste wäre.

Anleihen für die Umsetzung dieses Vorschlags kann man bei den Schwerpunkt-NMS nehmen: Dort gibt es bereits bei Sport- bzw. Musik-NMS Aufnahmeverfahren, die die Talente und Fähigkeiten interessierter Kinder unter die Lupe nehmen. Sinnvoll wäre ein Modellversuch, bei dem alle Kinder in der vierten Klasse Volksschule ein Prognoseverfahren durchlaufen. Dieses sollte von einer von den Schulen unabhängigen Instanz durchgeführt werden und könnte eine objektive Orientierung für weitere, passende Bildungswege liefern. Ein solcher Modellversuch wurde bereits vor Jahren vom Landesschulrat für Tirol beim Unterrichtsministerium eingereicht, allerdings umgehend abgelehnt.

Nun gibt es abermals Überlegungen, ein ergänzendes Prognoseverfahren, und zwar zusätzlich zu den Volksschulzeugnissen, zu etablieren. Pro Gymnasium wird diese Initiativen gerne unterstützen, denn vermutlich wird es bei Bildungsministerin Heinisch-Hosek noch viel Überzeugungsarbeit brauchen, bis auch sie die Sinnhaftigkeit eines umfassenden und dringend notwendigen Prognoseverfahrens an der Schnittstelle zwischen Volksschule und Sekundarstufe 1 erkennt.

 

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