Autonomiepaket – eine als Fortschritt getarnte Entmündigung und Beschneidung?

Wer Wikipedia bemüht, findet zum Stichwort Autonomie folgenden, wie man meinen könnte, unmissverständlichen Eintrag: Als Autonomie bezeichnet man den Zustand der Selbstbestimmung, Unabhängigkeit, Selbstverwaltung oder Entscheidungsfreiheit.

Grundsätzlich scheint das auch die österreichische Bundesregierung so zu verstehen. Sie hat sich am 30. Jänner 2017 in ihrem Arbeitsprogramm 2017/18 zum Thema Bildung folgendermaßen geäußert: Schulen werden zukünftig stärker in die Autonomie und Selbstverwaltung entlassen. Sie können sich damit stärker regional ausrichten und bekommen maximalen Gestaltungsspielraum, um Österreichs Schüler und Schülerinnen individuell zu fördern und zu fordern. Außerdem ist an dieser Stelle von Modernisierung der Bildungsbehörden die Rede, welche in Zusammenarbeit mit dem zuständigen Ministerium die punktgenaue und transparente Zuteilung der Mittelressourcen anhand objektiver und klarer Kriterien sichern. So weit, so gut und akzeptabel.
Wer Österreich und seine Politik, vor allem seine Bildungspolitik kennt, hört das und fühlt sich zu erhöhter Wachsamkeit veranlasst. Da war doch vor nicht allzu langer Zeit die Sache mit dem neuen Dienst- und Besoldungsrecht für alle Lehrenden, das als großer Wurf, als Akt der Wertschätzung gegenüber pädagogischer Arbeit, ja als epochaler Fortschritt für alle Betroffenen dargestellt wurde. Und die Realität? Schon der Umstand, dass diejenigen, die optional die neue Regelung wählen können, sich nahezu ausnahmslos für die alte entscheiden, spricht Bände. Und tatsächlich, der zweite Blick zeigt, warum sie das tun. Die Lebensverdienstsumme für die Beteiligten wird kleiner. Tarnen und Täuschen nennt man das im militärischen Bereich. Sich darüber zu wundern, dass die Betroffenen das nicht als Freundlichkeit empfinden, ist entweder unverständlich naiv oder böswillig zynisch.

Und wie ist das jetzt mit dem Autonomiepaket? Wer die Debatte aufmerksam verfolgt, ist spätestens nach folgender Kurier-online- Meldung vom 10. Februar 2017 desillusioniert: Kanzler Kern und Vizekanzler Mitterlehner erklären sich wild entschlossen, die Reform diesmal durchzuziehen – auch wenn es mit den Ländern und der Gewerkschaft haarig wird. Das ist wohl eher als Kampfansage denn als Wille zur Suche nach einem vernünftigen, die Betroffenen einbeziehenden Weg zu interpretieren. Klar ist, dass etwa die Streichung von Klassenschülerhöchstzahlen bzw. Eröffnungs- und Teilungszahlen oder die Streichung von Mitbestimmungsrechten die erklärte Absicht positiver Weiterentwicklung konterkarieren. Klar ist auch, dass das inakzeptabel ist und wir diejenigen stärken müssen, die mit demokratischen Mitteln dagegen halten und dafür eintreten, dass die Vernunft siegt.

Dieser Text erschien als Gastkommentar von Rainer Gögele in der Zeitschrift der AHS-Gewerkschaft gymnasium 2/2017.