Schule und Corona: „ Wir schaff(t)en das!“

Als am 12. März Bildungsminister Faßmann verkündete: „Die Schule schließt, der Unterricht geht weiter“, hat das zum Teil für ungläubiges Staunen bzw. Zweifeln gesorgt. Jetzt, ein halbes Jahr später wissen wir, dass Schule das tatsächlich kann!

Anfang März begann die Coronakrise spürbar zu werden, nicht zuletzt auch durch die schrecklichen Berichte aus Italien. Wer bis dahin der Meinung war, ohne Mathematik ginge es auch im Leben, wurde durch die eindrucksvollen Grafiken der Mathematiker der TU Wien eines Besseren belehrt. Noch am frühen Nachmittag des 11. März berichtete Bildungsminister Faßmann in einer Besprechung, dass mit der Schließung der Schulen frühestens in zwei Wochen, beginnend mit der Oberstufe, zu rechnen sei. Man plane eine Verlängerung der Osterferien nach vorne und wolle nach den Ferien wieder in den regulären Präsenzunterricht zurückkehren. Doch die dramatisch steigenden Infektionszahlen machten diesen Plan binnen weniger Stunden zunichte. Am Abend des 11. März war klar, die Schließung der Schulen erfolgt schon fünf Tage später am 16. März, nicht nur für die Oberstufe, sondern für alle Schüler. Die Schulen hatten also genau zwei reguläre Schultage und das Wochenende Zeit zur Vorbereitung des Homeschoolings.

Die Nutzung digitaler Plattformen und Kommunikationsmittel wurde praktisch über Nacht zum neuen schulischen Alltag, private Computerausstattung wurde dem Bildungssystem zur Verfügung gestellt, denn ohne diese Privat-Geräte wäre das Distance learning nicht möglich gewesen. Vorschriften und Informationen änderten sich an manchen Tagen sogar stündlich. Arbeitsaufträge inklusive schriftlichem Feedback, Videobotschaften, Hilfe bei der Erstellung von Arbeitsplänen, intensiver Austausch im Chatroom, Videokonferenzen und viele, viele Einzelgespräche sind nur einige Beispiele für das hohe Maß an Engagement und Herzblut von Lehrern, das notwendig war, um Schüler und deren Eltern während des Distance learnings gut zu begleiten. Viele Lehrer gingen dabei – nicht zuletzt aufgrund der Doppelbelastung aus Homeoffice und der Betreuung eigener Kinder – bis an ihr Belastungslimit. Sehr schnell haben auch Schüler wie Eltern festgestellt, dass ihnen die Schule fehlt – den Schülern vor allem ihre Mitschüler, den Eltern kam die Erkenntnis, als „Ersatzlehrer“ relativ rasch an Grenzen zu stoßen.

Die Zeit des Homeschooling stellte alle Beteiligten vor enorme Herausforderungen, verlangte von allen viel Kraft und Engagement, ließ aber in vielen Fällen die Klassengemeinschaft, die Schulgemeinschaft und generell den Zusammenhalt im Schulgefüge und darüber hinaus in unserem Land stärker werden. So standen die Schulen stets für die Betreuung der Kinder jener Eltern offen, die Österreich in systemrelevanten Berufen am Laufen hielten, auch an Zwickeltagen nach Landesfeiertagen, in den Osterferien oder an den Zwickeltagen nach Christi Himmelfahrt und Fronleichnam. Allein in den Osterferien standen bundesweit ca. 22.000 Lehrpersonen bereit, um letztendlich etwas mehr als 4.500 Kinder zu betreuen. Zu den zwei Wochen Sommerschule des Bildungsministeriums am Ende der Sommerferien kamen in vielen Bundesländern, Städten und Gemeinden weitere Betreuungsangebote hinzu. In Tirol bot etwa das Land vier weitere Betreuungswochen im Rahmen der Tiroler Sommerschule an. Bei all diesen Angeboten wirkten Lehrer freiwillig und teilweise auch unentgeltlich mit.

Natürlich verlief das Homeschooling nicht ohne Probleme. Speziell am Beginn waren Internetleitung und Lernplattformen oft heillos überlastet. So wie in der Lehrerschaft unterschiedlich ausgeprägte Digital-Affinitäten zu Tage traten, gab es auch in manchen Familien eine zu schwache Internetanbindung oder zu wenig Endgeräte. Die Familien wurden hier von Bund und Ländern mit Leihgeräten und leistungsfähigen Internetanschlüssen unterstützt. In der Lehrerschaft unterstützten oftmals die jüngeren die älteren Kollegen beim Umgang mit den digitalen Werkzeugen.

In einem Balanceakt zwischen Sicherheit und Freiheit versuchte man ab Mitte Mai zu einer gewissen schulischen Normalität zurückzukehren, die es den Schülern unter strengen Hygienevorschriften und nur in jeweils halber Klassenstärke ermöglichte, das Schuljahr gut abzuschließen. Gestützt auf mehrere Umfragen unter den Eltern kann man sagen, dass die Schule aufgrund der konstruktiven und wohlwollenden Zusammenarbeit aller Schulpartner diese Herausforderung gut gemeistert hat. Und sie wird das auch im neuen Schuljahr, denn Corona ist noch nicht vorbei.

Natürlich muss man aus dieser Krise Schlüsse für die Zukunft der Schule ziehen. Das Stichwort Digitalisierung wird dabei immer wieder genannt, denn der Nachholbedarf bei der schulischen Hard- und Software-Ausstattung wurde durch Corona offensichtlich. Aber auch wenn die Elektronik-Industrie nun den schwächelnden Tablet-Markt ankurbeln möchte: Ein Tablet für alle macht noch keine Digitalisierung im Bildungsbereich! Die derzeit gängigen Lernplattformen sind mit einem Tablet – wenn überhaupt – nur sehr mühsam zu benützen. Es braucht auch keine undifferenzierte Gießkanne, sondern vor allem gute Unterstützung für sozial schwächere Familien. Und wenn man den Umgang mancher Schüler mit ihren Schulbüchern kennt, dann kann man daraus recht einfach die eher kurze Lebensdauer eines Schul-Tablets hochrechnen. Doch wenn etwas im Homeschooling ganz besonders deutlich geworden ist, dann die Tatsache, dass auch die beste Technik den persönlichen Kontakt mit Klassenkollegen und Lehrpersonen nicht ersetzen kann.

Das vergangene Schuljahr wird nach einer seriösen Evaluierung wohl als eines der innovativsten in die Schulgeschichte eingehen. Schüler, Eltern und Lehrer haben in den Corona-Wochen viel gelernt und vor allem bewiesen, dass Schule auch mit großen Herausforderungen umgehen kann. Und das ist eigentlich eines der schönsten Komplimente, das wir unserem Bildungssystem machen können.

Mag. Matthias Hofer
Bundesobmann ÖAAB-AHS
Vorsitzender der Personalvertretung der Tiroler AHS-Lehrer

Dieser Text erschien erstmalig in der Zeitschrift Academia des ÖCV, Ausgabe September 2020